Arbeit an der Fokussierung |
Flugzeuge verschwinden spurlos am Himmel, Großmächte okkupieren Territorien, steuerhinterziehende Manager landen im Knast: soweit ist alles unter Kontrolle. Auch Fokus@helmholtz ließ sich von feministisch angehauchter Kritik im Vorfeld ihrer Veranstaltung „Was können wir glauben? Die Klimadebatte und ihre Folgen“ nicht weiter beeindrucken und schickte kommentarlos fünf geladene Männer mit einem Moderator aufs Podium. Diese ignorierten allerdings die Glaubensfrage und widmten sich dem, was wir wissen können. Was wahrscheinlich sowieso als Frage intendiert war, aber leidet achtet man in den Naturwissenschaften wenig auf sprachliche Feinheiten und ignoriert geflissentlich die Bedeutungswelten, die sich zwischen "Wissen" und "Glauben" auftun. Die Runde war sich denn auch schnell ziemlich einig darin, was wir wissen - und am Ende vielleicht auch darin, dass das, was wir wissen, kaum ausreicht, um die Frage, was der menschengemachte Klimawandel für uns bedeutet, zu beantworten.
Nun denn, was wissen wir? Es besteht ein positives Einvernehmen, so der Klimaforscher im Impulsvortrag, dass von Menschen verursachte Treibhausgasemissionen für eine globale, wenn auch ungleichmäßige Erwärmung sorgen. "Menschen" wurde hierbei nicht näher spezifiziert; diese Abwesenheit fiel mir auf und weckte den Verdacht, es handele sich bei den Emissionsverursachern vielleicht um eine Art Aliens. Kein Einvernehmen unter Klimawissenschaftlern besteht in Detailfragen betreffend der Häufigkeit von Stürmen, der Geschwindigkeit des Meeresspiegelanstiegs und ähnlichen Effekten. Damit war weitgehend geklärt und in der Runde abgenickt, was wir wissen, und es blieb Raum das Spektrum männlicher Empfindsamkeiten auszuloten. Wenig überraschend sorgte sich der Vertreter einer Wochenzeitschrift etwas mehr um künftige Generationen als andere, wobei diese Sorge überlagert wurde von der Melancholie über sein eigenes, unerbittlich voranschreitendes Alter - wir älteren Herren werden die Auswirkungen des Klimawandels kaum mehr erleben. Der Klimaforscher hingegen scheint eher froh, dem Erbe und der Sorge der vorhergehenden Generationen unbeschadet entronnen zu sein und freut sich schon drauf, der nachfolgenden Generation ein paar ungelöste Problem zu überlassen. Der Professor für Klimadynamik wiederum trug für einen Naturwissenschaftler erstaunlich gut sitzende Jeans und zog es vor, bei weltanschaulichen Fragen eher zu schweigen. Und ja, große Aufregung im Vorfeld, auch ein bekennender Skeptiker war da. Er fühlte sich sichtlich wohl in dieser Runde und äußerte sich eloquent zu Glühbirnen, Staubsaugern und Marktwirtschaft, welche der Klimaschutz in ihrer jeweils natürlichen Daseinsweise bedrohe. Eine erwärmte Welt werde auch eine reiche und satte Welt sein, so seine diesbezüglich gar nicht skeptische Zukunftsvision. Es blieb letztlich dem einzigen Kulturwissenschaftler in der Runde vorbehalten darauf hinzuweisen, dass der Klimawandel eine politische Frage ist und die Details der Kurvendiskussionen an den Stammtischen der Klimawissenschaftler für die Politik von relativer Bedeutung sind. Politiker glauben nicht so recht an die Alienstheorie und haben daher ganz andere, eher handfeste Befindlichkeiten, wenn es darum geht, den einvernehmlich festgestellten menschengemachten Klimawandel durch Eingriffe und Verhandlungen einzudämmen. Dass das Klimaproblem damit in den Händen einer Frau, der Bundeskanzlerin, gelandet ist, ist allerdings nur eine kleine Pointe am Rande. Die eingangs erwähnte feministische Theorie handelt nicht unbedingt davon, wieviele Männer und Frauen am Tisch sitzen, sondern welche Fragen, Stimmen und Themen durch Essentialisierung und Normalisierung (oder hier: Alienisierung) aus der Debatte ausgeschlossen werden. In diesem Fall: ziemlich viele. Dafür wurde ein Herr Schellnhuber schmerzlich vermisst und ausführlich gedisst - einig war mann sich in der Ablehnung von wissenschaftlich fragwürdigen Grenzen wie dem 2 Grad Ziel oder nicht demokratisch legitimierter Maßnahmen. Am Schluss schieden die Diskutierenden freundschaftlich und hinterließen ein informiertes und vielleicht auch ein etwas ratloses Publikum. Was wir wissen können, scheint klar, aber an was können wir glauben? Diese Frage stand bis zum Schluss über der Diskussionsrunde, auf eine Leinwand projiziert, und sie gewann zu meinem Erstaunen und mit der Dauer still und leise an Relevanz.
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